Der Haushalt der Stadt Bergisch Gladbach wurde in dieser Woche genehmigt; die entsprechende Verfügung des Rheinisch-Bergischen Kreises als Aufsichtsbehörde liegt vor, und mit der Bekanntmachung der Haushaltssatzung ist auch die Rechtskraft erlangt.
Die folgenden Eckdaten sind damit für 2021 festgeschrieben: Das Satzungsvolumen beläuft sich auf rund 338,6 Millionen Euro konsumtiv und 23,9 Millionen Euro investiv. Investitionskredite sind im Umfang von rund 5 Millionen Euro geplant. Der geplante Schuldenstand beträgt rund 176,2 Millionen Euro, von dem etwa gleich viel auf Kassenkredite (rd. 89,7 Millionen Euro) und Investitionskredite (rd. 86,5 Millionen Euro) entfällt. Die Steuerhebesätze sind gegenüber dem Vorjahr unverändert geblieben.
Einhergehend mit diesem Bescheid verlässt die Stadt Bergisch Gladbach nach mehr als zehn Jahren das Haushaltsicherungskonzept. Dadurch wird der Investitionsdeckel aufgehoben, und der Handlungsspielraum der Stadt für zwingend notwendige Investitionen wird erheblich vergrößert. Gründe für die späte Genehmigung des Haushalts waren unter anderem die Kommunalwahl im September und die dadurch resultierenden Veränderungen an der Verwaltungsspitze. Zudem konnte aufgrund der pandemischen Lage der Rat nicht zusammentreten, um über den Haushalt abzustimmen. Durch das angestrebte Verlassen des Haushaltssicherungskonzeptes fand bei den verantwortlichen Kreisbehörden eine genaue Prüfung statt, die nun abgeschlossen wurde. Ein Grund, mit Stadtkämmerer Thore Eggert über diese und weitere Entwicklungen zu sprechen. Dabei geht es nicht nur um den Haushalt, sondern auch um anstehende Investitionen und den Stellenwert der Wirtschaftsförderung.
Der Haushalt der Stadt Bergisch Gladbach konnte für dieses Jahr ausgeglichen werden. Wie konnte das funktionieren, trotz Pandemie und ständig steigender Aufgabenfülle?
Zunächst einmal kommt das von der Kommunalaufsicht anerkannte Verfahren „Schütt aus – Hol zurück“ zum Tragen. Hierdurch werden die Ausschüttungspotentiale der städtischen Betriebe und Gesellschaften genutzt. Allerdings sind Teile dieses Potentials endlich, und wir müssen damit sorg- und vor allem sparsam umgehen. Und wir müssen durch eine konsequente Finanzpolitik erreichen, dass wir in der Zukunft auch ohne die ja endlichen Ausschüttungen auskommen.
Weiterhin können wir die finanziellen Schäden der Pandemie, die lt. Haushaltsplanung für 2021 bei rund 13,2 Millionen Euro liegen, im Haushalt „isolieren“, also separieren und prinzipiell auf fünfzig Jahre abschreiben. Das hilft buchhalterisch, hat allerdings das Manko, dass es keine materielle Hilfe des Landes darstellt. Hier muss der Landtag noch deutlich nachbessern, so die berechtigte Forderung der kommunalen Familie.
Was uns paradoxerweise auch – zumindest finanziell – zurzeit hilft, ist der Personalhaushalt, der weniger hoch ausfällt als berechnet. Dies lag und liegt an vielen Stellen, die wir gerne besetzen würden, aber nicht besetzen können, weil die nötigen Bewerberinnen und Bewerber fehlen. Auch dies gilt es für uns als Stadt zu überwinden, da der Investitionsstau abgearbeitet werden soll und muss.
„Schütt aus – Hol zurück“ ist schon seit Frank Steins Zeit als Kämmerer ein geflügeltes Wort. Wie hoch sind die städtischen Rücklagen, die hier eingesetzt werden können, und wie lange werden sie reichen?
Insgesamt geht es um über 100 Millionen Euro. Hier gilt allerdings: Je sparsamer wir diese Rücklagen verbrauchen, desto länger werden wir von ihnen profitieren können. Wir planen gerade einen Doppelhaushalt für die kommenden zwei Jahre, haben aber auch die Jahre ab 2024 mit im Blick und gehen zurzeit davon aus, dass wir diese Haushalte inklusive der darauffolgenden Finanzplanungszeit von weiteren 3 Jahren ebenfalls werden ausgleichen können. Wie es danach aussehen wird, mag noch niemand zu beurteilen – denn die Folgen der Corona-Pandemie und anderer Ereignisse wie zum Beispiel dem Starkregenereignis vom 14. Juli werden erst mit Zeitverzug sicht- und einschätzbar.
Das Thema Haushaltskonsolidierung spielt bei alledem stets eine wichtige Rolle. Politik und Verwaltung müssen dabei schauen, wie wir mit kluger Finanzpolitik nachhaltig die Notwendigkeit eines neuen Haushaltsicherungskonzepts verhindern und gleichzeitig die anstehenden Herausforderungen und Veränderungs- bzw. Entwicklungsnotwendigkeiten werden bewältigen können.
Neben dem Haushalt existiert auch ein Haushaltsbegleitbeschluss. Wird dieser nun weiterbearbeitet? Schließlich ist der Beschluss ja schon vor längerer Zeit gefasst worden.
Sinn und Zweck des Haushaltsbegleitbeschlusses ist es ja, dass Politik und Verwaltung genau schauen, wo und wie man sparen und die Effizienz und Effektivität steigern kann. Dabei spielen besonders die Themen Aufgaben- und Standardkritik, Reform der Beteiligungsstrukturen und auch Digitalisierung eine Rolle. Aber das Potential ist auch hier endlich. In Zeiten der Haushaltssicherung wurde schon einiges versucht, um an diesen Schrauben zu drehen, und man hat auch bereits einige Erfolge erzielt. Nach der Wahl und den damit verbundenen Veränderungen, auch in der Verwaltung, haben wir uns diesen Beschluss noch einmal genau angeschaut und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass er nach wie vor richtig ist, aber den sich verändernden Anforderungen gerecht werden muss. Denn es müssen dringend Investitionen getätigt werden. Das sehen wir besonders bei den Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden. Ich bin der Ansicht, dass hier genau jetzt klug und nachhaltig investiert werden muss, um die späteren Kosten nicht weiter in die Höhe zu treiben.
Gleichwohl erneut: Bei allem Investitionsdruck gilt es, die Weichen so zu stellen, dass wir ein kommendes Haushaltssicherungskonzept nachhaltig verhindern . Deshalb müssen wir uns jetzt auch mit diesem Thema auseinandersetzen, wie man diesen Haushalt nachhaltig so aufstellt, dass man langfristig investieren kann. Wenn ich mir allerdings die Aufgabenfülle der Stadtverwaltung und den dafür notwendigen Aufwand betrachte, werden die Grenzen der Einsparpotentiale in der Stadtverwaltung deutlich sichtbar.
Die Politik hat gerade viele Investitionen auf den Weg gebracht, die sehr viel Geld kosten werden. Das heißt, es wird weniger gespart als ausgegeben…?
Das habe ich eben bereits angesprochen, wir können so lange sparen, bis es überall knackt und kracht und zum Beispiel ein Gebäude schlimmstenfalls so baufällig ist, dass es nicht mehr benutzt werden kann. Das kann nicht der richtige Weg sein. Deshalb müssen wir nun investieren, damit das nicht passiert. Und ja, überall wo ich Geld ausgebe, muss ich auch schauen, wie ich das Geld wieder in die Kasse bekomme, und dann ist man grundsätzlich schnell bei der Erhöhung von Gebühren und Steuern, was nicht der prioritäre Weg der Refinanzierung sein kann und darf.
Wobei die Ampelkoalition ja zum Beispiel gerade eine Senkung der Gebühren im Bereich der Kita beschlossen hat. Die Refinanzierung soll dabei über eine Anpassung der Grundsteuer B erfolgen. In meinen Augen ist das auch ein gewisser sozialer Vertrag zwischen der Gesellschaft und den Eltern, denn für das Ermöglichen geringerer Kita-Beiträge wird die gesamte Stadtgesellschaft in einem vertretbaren Rahmen belastet.
Bislang haben wir in erster Linie über die Verminderung von Ausgaben gesprochen bzw. wie wir dazu zu kommen, dass dies in einem angemessenen Rahmen liegt. Aber ich kann und muss natürlich auch die Einnahmesituation im Auge behalten bzw. beeinflussen und verbessern. Wir haben zwar auf der einen Seite einen Zuzug, der höhere Schlüsselzuweisungen bringt, allerdings kann man dabei den Infrastrukturverbrauch gegenrechnen und landet wahrscheinlich fast bei null.
Alternativ müssen wir durch eine kluge, nachhaltige und zukunftsgerichtete Wirtschaftsförderung auch Möglichkeiten schaffen, dass sich zum Beispiel Gewerbe ansiedeln kann und wir damit auch in diesem Segment ein Wachstum verzeichnen. Dafür brauchen wir z.B. ein gutes bzw. effektives Flächenmanagement und Unternehmen, die auch hier lokal bei Inanspruchnahme der Infrastruktur Gewerbesteuer zahlen.
Das heißt, man müsste im gleichen Schritt auch die Wirtschaftsförderung ausbauen?
Ja. Wirtschaftsförderung ist für die Verwaltung auf vielen Ebenen ein wichtiges Thema. - da stehen wir noch am Anfang der Debatte. Ich begrüße grundsätzlich, dass wir einer Vielzahl von Unternehmen in verschiedensten Branchen in unserer Stadt einen Standort bieten können und keine Monostruktur haben. Aber es sollte auch unser Ziel sein, dass sich weitere große Firmen im Stadtgebiet ansiedeln, die mit ihrer Gewerbesteuer zum Erhalt und Ausbau der Infrastruktur beitragen.
Das ist ein Punkt. Ein anderer Punkt ist aber auch, wie man kluge Köpfe in der Stadt halten kann. Wir haben als Stadt gute Kontakte zu unseren Bildungseinrichtungen - von den Schulen bis zur Hochschule FHDW - und sind gerade mit der letzteren im regen Austausch. Da gibt es ein riesiges Potential an hochmotivierten und klugen Köpfen – überwiegend aus der Region -, zum Beispiel Studentinnen und Studenten, die gründen wollen, aber dabei Anreiz und Unterstützung brauchen. Wenn wir zum Beispiel diese Gründermentalität für die Stadt nutzen wollen, müssen wir Orte des Ausprobierens, Scheiterns, aber auch des Erfolgs schaffen. Dabei stehen wir auch in Konkurrenz zu anderen Städten, aber können als Bergisch Gladbach mit unseren eigenen Stärken punkten und im besten Sinne selbstbewusst sein. Also stellt sich die Frage: Wie kann ich die Potentiale und Menschen hier halten oder für uns gewinnen? Dann werden wir von diesen Innovationen und geschaffenen Möglichkeiten profitieren.
Aber in der Stadt gibt es ja einige gelungene Ansiedlungen von Gewerbe. Der Technologiepark in Bensberg ist ja da in gewisser Weise ein Vorzeigeprojekt.
Ja, das sehe ich genauso. An diesem Standort agieren einige starke und innovative Unternehmen. Aber daneben gibt es weitere herausragende Unternehmen in der Stadt, bei denen wir froh und stolz sind, dass sie sich speziell für Bergisch Gladbach entschieden haben. Was übrigens auf Gegenseitigkeit beruht – so das Feedback an mich bei den ersten Besuchen vor Ort. Und wir stellen auch fest, dass sich hier weiteres Gewerbe ansiedeln möchte, weil die Lage und die Gegebenheiten der Stadt für die geplanten Zwecke genau richtig sind. Man kann sagen, dass Bergisch Gladbach eine sehr gute Mischung für Leben, Arbeiten, Bildung und Entwicklung bietet. Ich glaube, dass viele das - sicherlich zu selbstkritisch -- nicht so wahrnehmen. Aber Bergisch Gladbach hat definitiv mehr Potential und mehr zu bieten, als die Schlafstadt von Köln zu sein. Deshalb müssen wir weiterhin am Ball bleiben – nachhaltig, innovativ und zukunftsgerichtet. Orientiert am Beispiel der erfolgreichen Unternehmen wird deutlich, dass wir als Stadt auch unsere Sparte finden und diese dann auch selbstbewusst und orientiert leben und „verkaufen“ müssen.
Neben all diesen Fragen zum Thema Haushalt, was wünschen Sie sich persönlich für die Verwaltung und auch für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt?
Ich wünsche mir von den Bürgerinnen und Bürgern besonders Vertrauen in die Verwaltung, und ich wünsche mir Feedback aus der Bürgerschaft, was gut und was nicht so gut läuft, denn nur davon können wir lernen und auch darauf reagieren und uns verbessern. Von der Verwaltung wünsche ich mir eine bessere Selbstwahrnehmung und auch ein wenig mehr Selbstbewusstsein. Und vor allem ist mir die Kommunikation innerhalb und außerhalb der Verwaltung sehr wichtig, damit vieles verständlicher wird. Aber ich fordere auch die Ehrlichkeit, was wir als Verwaltung leisten können und was nicht. Die Kolleginnen und Kollegen, die hier arbeiten, machen einen tollen Job und haben sich bewusst für die Verwaltung und deren Wirkweise entschieden. Dies muss man wertschätzen und berücksichtigen.
Und auch wenn ich mich wiederhole, aber ich wurde hier wirklich toll empfangen und die Kolleginnen und Kollegen, die hier arbeiten, sind wirklich ein Pfund; ich kann mich auf ihre Arbeit voll verlassen. Und auch deshalb wünsche ich mir ein faires Miteinander und ein ehrliches und konstruktives Feedback aller Beteiligten. Nur so können wir uns weiterentwickeln und den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden.