Zanders-Zentralwerkstatt: Verbaute Schönheit mit Geschichte und Perspektive
Die alte Zentralwerkstatt soll bei der Neugestaltung des Zanders-Areals eine besondere Rolle spielen – als Begegnungsort und als Keimzelle einer neuen Altstadt. Das passt nicht nur zur Architektur des gut 140 Jahre alten Backsteingebäudes, sondern auch zu seiner Geschichte. Denn die Werkstatt steht für den Wandel von Zanders zu einem Industriebetrieb – und ist im Laufe ihrer Geschichte immer wieder umgebaut und erweitert worden.
Text: Michael Werling
Die Front der alten Zentralwerkstatt heute
Blick aus dem Vorraum in die große Halle
Die Papierfabrik Zanders ist von innen nach außen gewachsen, mit ihrem Aufstieg wurden die Gebäude immer mehr erweitert und ausgebaut. So gut wie nie wurde Altes für Neues abgerissen. Diese Tradition wollen die Planer bei der Konversion der ehemaligen Fabrik fortsetzen – und neue Nutzungen in alte Mauern etablieren.
Der Zentralwerkstatt kommt dabei eine Pionier-Funktion zu, sie soll relativ kurzfristig als zentrale Anlaufstelle für das gesamte Konversionsprojekt genutzt werden, das neben dem Projektbüro Flächen für Ausstellungen und Begegnungen bietet.
Als inklusives und integratives Quartierszentrum soll sich die Zentralwerkstatt neben der projektbezogenen Nutzung Schritt für Schritt als Begegnungsstätte zum zentralen Anlaufpunkt entwickeln und als Impulsgeber für die Gesamtentwicklung des Areals fungieren. Als erstes Bauvorhaben wird das Gebäude für 10 Millionen Euro zunächst gesichert, saniert und später umgebaut werden.
Reparatur eines Serien-Wechselstrommotors
Das zuletzt vor allem als Ersatzteil- und Walzenlager verwendete Gebäude ist um 1880 vermutlich durch den Architekten Gustav Börstinghaus als „Werkstattgebäude“ errichtet und durch spätere An- und Umbauten erweitert worden.
Der Baukörper befindet sich im Norden des Werksgeländes und wird durch eine Reihe von markanten Industriebauten umkränzt: Auf der Nordostseite steht dem Werkstattkomplex der Kalandersaal gegenüber. Auf der südöstlichen Traufseite wird er vom Sortiersaalgebäude flankiert.
Dem südwestlichen Giebel steht das Rollenzentrallager gegenüber, während auf der nordwestlichen Traufseite ein moderner Magazin- und Werkstatttrakt das Bauwerk flankiert. Im Jahre 1899 besaß das Gebäude fast noch eine Alleinlage.
Dieses Gebäude war notwendig geworden, da die zwischenzeitlich eingesetzten Papiermaschinen keine einfachen Papierschöpf-Bottiche mehr waren, sondern hochkomplexe Aggregate, deren ständige Überwachung eine mechanische und elektrische Reparaturwerkstatt erforderte.
In dieser Werkstatt waren nicht nur fast alle handwerklichen Berufe, sondern auch Spezialisten vertreten, die neben einem ausgereiften Fachwissen auf eine langjährige Erfahrung im Werk zurückgreifen konnten.
Luftbild der alten Zentralwerkstatt
Richard Zanders (1860-1906)
Die Unternehmer
In der Entwicklung der Firma Zanders zu einem Industrieunternehmen mit Weltruf spielten Richard Zanders (1860-1906) und Hans Wilhelm Zanders (1861-1915) eine wesentliche Rolle. Beide – auch in Sachen Papierherstellung gut ausgebildet – unterstützten zunächst ihre Mutter Maria Zanders (1839-1904) bei der Leitung der Firma.
Sie wurden aber bald Teilhaber und sorgten sowohl für die Einführung neuer Produkte (z.B. dem Kunstdruckpapier) und Produktionstechniken, als auch den Bau der dafür notwendig gewordenen Industriebauten, zu denen auch die Zentral-Werkstatt gehört.
Ansicht um 1905
Der Architekt und seine Architekturauffassung
Gustav Emil Börstinghaus (1854-1929) hat als Architekt in Düren vielfältige Spuren hinterlassen. Eine Reihe öffentlicher Gebäude, die seine Handschrift tragen, sind dort heute noch zu sehen. Er war aber auch bei der Firma Zanders auf Gohrsmühle zumindest Ende des 19. Jahrhunderts tätig und hat u.a. die Zentralwerkstatt geplant und errichten lassen.
Börstinghaus, der von 1873 bis 1876 ein Architekturstudium an der Polytechnischen Schule (heute Universität Hannover) absolvierte, plante gemäß der Stilrichtung des Historismus, die sich von circa 1850 bis zum Ersten Weltkrieg erstreckte.
Wohl sind die jeweiligen Stilmerkmale (Zierfriese, Lisenen- und Risalitausbildungen oder Fenster mit verzierten Rund- oder Segmentbogenabschlüssen), in einer vereinfachten Formensprache und meist nur auf die Schauseiten beschränkt, übernommen worden, aber manche von diesen Bauten stellen sich auch heute noch als höchst repräsentative „Fabrikschlösser“ dar (zum Beispiel der Kalandersaal oder das Sortiersaalgebäude der Firma Zanders), die als bedeutendes Zeugnis des Industriezeitalters gewertet werden dürfen.
Ansicht der Sattedachkonstruktion
Die Architektur der Zentral-Werkstatt
Bei der Zentral-Werkstatt handelte es sich zunächst um einen U-förmig angelegten Kubus, der sich auf der Nordostseite um einen Innenhof legte.
Das Gebäude selbst war zweigeteilt. Auf der Nordostseite bestand die Bausubstanz aus zwei parallel zueinander verlaufenden, zweigeschossigen Baukörpern mit Satteldachabschluss, während der südwestliche Teil als eine eingeschossige Werkhalle ausgebildet und mit einem (zackigen) Sheddach abgedeckt war.
Bis 1910 hatte man den Innenhof schon um etwa die Hälfte überbaut und nur ein Jahr später war der gesamte Zwischenraum überbaut gewesen. Diese unterschiedlichen Bauzeiten lassen sich auch anhand der heute noch vorhandenen und durchweg in Ziegelbauweise errichteten Fassaden gut nachvollziehen.
So zeigen die beiden ehemals den Innenhof flankierenden Gebäude zunächst eine durch Lisenen gebildete, vertikale Gliederung, die sowohl im Traufbereich als auch entlang der Ortgänge durch Gesimse formal zusammengefasst sind.
Ein Zahnfries stellt die geschossweise Gliederung her, während von Lisene zu Lisene gespannte Brüstungsgesimse dieses horizontale Motiv noch verstärken helfen. Die Fenster sind ausnahmslos mit segmentbogigen Abschlüssen versehen und mit Metallsprossen großzügig gegliedert.
Der vor 1911 über dem ehemaligen Innenhof errichtete Baukörper ist weitaus schlichter als seine benachbarten Bauten konzipiert, eingeschossig angelegt und giebelseitig mit rechteckig geformten und mit Metallsprossen aufgegliederten Fensterflächen durchsetzt. Das große Schiebetor garantierte ehemals die Zufahrt der werkseigenen Schmalspurbahn in das Gebäude.
Blick in die Halle 2021...
Ansicht der Rückseite
Der südwestliche Teil der Werkstatt wurde zunächst als eine ebenfalls durch Lisenen gegliederte Shedhalle ausgeführt und mit nach Nordwesten hin verglasten und leicht geschrägten Dachreitern bekrönt.
Dadurch war ein optimaler Lichteinfall gewährleistet und die Sonneneinstrahlung auf ein Minimum reduziert. Die Art der umlaufenden Fenstergestaltung entsprach jener der beiden Hauptbaukörper und auch der geschosstrennende Zahnfries wurde als ein Gestaltungselement bei dieser Halle mit aufgegriffen.
Noch vor 1910 kam ein sukzessive erweiterter, eingeschossiger Anbau mit Pultdachabschluss auf der südöstlichen Traufseite hinzu. 1937 wurde die Shedhalle um ca. 14,5 m nach Südwesten verlängert und mit einer neuen Giebelwand abgeschlossen.
„Die Vergrößerung meiner Werkstatt wird dringend notwendig, einmal, weil der zur Verfügung stehende Raum bei den heute bedeutend gestiegenen Anforderungen nicht mehr ausreicht und durch die engen Raumverhältnisse die Sicherheit gefährdet ist, weiterhin um für die Belegschaft einen ordentlichen Aufenthalts- und Waschraum zu schaffen und damit bestehende Mängel zu beseitigen“, heißt es in den Unterlagen für den damaligen Bauantrag.
Diese Verlängerung bedeutete auch einen massiven Eingriff in die vorhandene Bausubstanz, da neben einigen Innenwänden auch drei der insgesamt fünf Sheds abgebrochen werden mussten. Die neue aus einem Fachwerkträger realisierte Überdachung bekam dafür mittig ein dreieckigförmiges Lichtband aufgesetzt.
Da der General-Bevollmächtigte für die Eisen- und Stahlbewirtschaftung wegen des hohen Eisenverbrauchs von 15 Tonnen Bedenken gegen das Bauvorhaben erhoben hatte, wurde das gleiche Bauvorhaben mit einem geringeren Eisenverbrauch von nur 4,2 Tonnen nochmals zur Genehmigung vorgelegt und im Anschluss (weitestgehend aus Holz) realisiert.
1953 gab es erste Überlegungen, das Werkstattgebäude durch ein Lager ein weiteres Mal zu erweitern. Letztlich entschied man sich aber dazu, ein neues Lagergebäude für Reserveteile und Magazin-Material westlich der ehemaligen Shedhalle zu errichten.
1961 erfolgte dann doch eine erneute Erweiterung der Shedhalle in Richtung Südwesten. Erneut wurde auf der Südwestseite eine ziegelsichtige Giebelfassade errichtet, die durch eine langbahnige Befensterung gegliedert ist.
....und 2022 während einer Ausstellung studentischer Arbeiten
Zu dieser Zeit wurde die südwestliche Traufseite wieder von dem eingeschossigen „seitenschiffartigen“ Anbau befreit und die dort geöffnete Hauptfassade wieder geschlossen.
Im Inneren ist trotz einiger baulicher Veränderungen das Ziegelmauerwerk noch weitestgehend intakt. Auch im Bereich des noch vor 1911 überdachten U-förmigen Innenhofes können die ursprünglichen Außenwände noch gut nachvollzogen werden.
In diesem Bereich sind zwei alte Drehbänke aufgestellt, die bis vor kurzem noch zur Bearbeitung der Walzen herangezogen wurden. Die flankierenden Innenräume waren zuletzt als Ersatzteillager mit Regalen bestückt. Der gesamte zurückliegende Bereich diente – wie schon oben angedeutet – als Walzenlager.
Inzwischen sind die Hallen geräumt. Die Zentralwerkstatt steht für eine neue Nutzung bereit. Und eine neue, zentrale Rolle für das Zanders-Areal der Zukunft.