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Diskussion über Möglichkeiten der Partnerschaftsarbeit

Bürgermeister Lutz Urbach und Vorstände der Städtepartnerschaftsvereine Ganey Tikva und Beit Jala diskutierten mit Experten über Möglichkeiten in der Partnerschaftsarbeit

„Gemeinsamkeiten ausbauen, Unterschiede respektieren“, dies ist das Fazit aus einem gemeinsamen Gespräch zwischen Bürgermeister Lutz Urbach, Akteuren der Städtepartnerschaften mit Israel und Palästina sowie Michael Fürst und Dr. Yazid Shammout im Rathaus Stadtmitte. Die Aufgabe lautet zu diskutieren, wie den beiden Vereinen sowie den beteiligten drei Städten der Brückenschlag nach Israel und Palästina besser gelingen kann

Dabei verstehen sich die beiden Experten als Brückenbauer in heikler Mission: Michael Fürst, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, und Dr. Yazid Shammout, Vorsitzender der Palästinensischen Gemeinde Hannover.

Sie sind zu Freunden geworden, gelten vielen als Vorbild, sind manchen suspekt. Auf jeden Fall haben Fürst und Shammout viel Erfahrung mit einem ewigen Konflikt – zwischen Juden und Moslems, Israelis und Palästinensern. Kürzlich empfing Bürgermeister Lutz Urbach die beiden als Impulsgeber zum Runden Tisch im Rathaus, zusammen mit den Vorständen der hiesigen Städtepartnerschaftsvereine von Beit Jala (Palästina) und Ganey Tikva (Israel).

Zwei Städtepartnerschaften, die etwas bewegen wollen
Gleich zu Beginn machte Urbach klar, wie sehr ihm diese beiden Städtepartnerschaften am Herzen liegen. „Natürlich machen wir hier keine Weltpolitik. Aber wir können durch Begegnungen im Alltag zur Verständigung beitragen und unseren Horizont erweitern.“ Beispiele für Geleistetes gibt es genug, etwa die Begegnungsreisen und Schulpartnerschaften der vergangenen Jahre und die anstehenden Kulturtage im Herbst.

Gemeinsame Aktivitäten: Mangelware
Dennoch bleibt viel zu tun. Die Bergisch Gladbacher Partnerstädte im Heiligen Land liegen kaum 60 Kilometer voneinander entfernt, aber die politische Realität macht eine Begegnung schwierig. Auch die beiden Vereine hier vor Ort tun sich mitunter schwer. Man kennt sich, man schätzt sich, aber gemeinsame Aktivitäten sind rar.

Jüdische und palästinensische Gemeinden im Dialog
In dieser Situation war den Gästen aus dem Norden hohe Aufmerksamkeit gewiss: Wie schaffen sie den schwierigen Dialog, was können die beiden Partnerschaftsvereine hier von ihnen lernen? Am Anfang stand in Hannover die gemeinsame Teilnahme der jüdischen und palästinensischen Gemeinden an der Mai-Demonstration 2009 gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Ein früher Meilenstein war auch der öffentliche Gesprächsabend mit Holocaust-Überlebenden und ehemals vertriebenen Palästinensern. „Wir hatten klare Regeln aufgestellt: Die Betroffenen einfach nur erzählen lassen und ihnen zuhören. Nicht unterbrechen, nichts infrage stellen“, berichtete Fürst von dieser Veranstaltung.

Wer wagt, gewinnt
Aus der Annäherung der Vorsitzenden wurde Freundschaft, die beiden Gemeinden sprechen seither miteinander. Gemeinsame Lesungen und Presseerklärungen vertiefen den Dialog, Reisen nach Israel und in die palästinensischen Gebiete weiten den Blick für das Gegenüber.

Persönliches Schicksal verbindet
Hinter der Pionierarbeit der beiden Versöhner steht die Bereitschaft, persönliches Leid als verbindende Erfahrung einzubringen. Fürsts Großeltern und sein Vater wurden von den Nationalsozialisten in das Ghetto Riga deportiert. Nur der Vater überlebte Verschleppung und Zwangsarbeit und gründete nach dem Krieg die Jüdische Gemeinde in Hannover. Auch Shammout blickt auf eine schmerzvolle Vergangenheit zurück. Das Haus seiner Mutter steht noch heute in der Altstadt von Jaffa. Im Jahre 1948 floh die Familie nach Beirut. Der Bürgerkrieg im Libanon 1976 verschlug den 16-Jährigen nach Deutschland.

„Wir lösen keinen Dauerkonflikt, wir suchen Gemeinsamkeiten“
Trotz allem Verständnis füreinander, bei Konfliktthemen wie der Bedrohungslage Israels, Vertreibung der Palästinenser und Antisemitismus sind sich Fürst und Shammout längst nicht immer einig. Aber sie lassen den Gesprächsfaden nie abreißen und geben so auch ihren Gemeinden den Takt vor. „Wir suchen nach Gemeinsamkeiten“, sagt Shammout, „Meinungsverschiedenheiten respektieren wir und lassen wir stehen.“ Und schiebt eine zentrale Botschaft nach: „Wir dürfen uns nicht zum Anwalt der einen oder anderen Seite machen und einen Dauerkonflikt lösen wollen. Wir haben Sympathien. Aber unsere Aufgabe ist der Brückenbau zwischen Menschen und Kulturen.“ Michael Fürst, von Beruf Rechtsanwalt, stimmt zu.

Hitziger Schlagabtausch
Solche Einsichten wollen im praktischen Umgang miteinander erprobt werden, machte ein bisweilen hitziger Schlagabtausch in der Runde deutlich – in Bergisch Gladbach und im Heiligen Land. Die Zusammenarbeit beider Vereine hier vor Ort bleibt wegen politischer Berührungsängste unter ihren Möglichkeiten, ein Austausch der Partnerstädte im Nahen Osten scheint angesichts von Sprachlosigkeit und Freund-Feind-Denken fast unmöglich.

Erfolgreiche Projekte ausbauen
Mehr Dialog ist wünsch- und machbar, war sich die Rathausrunde am Ende einig. Wichtig ist, dass beide Vereine ein Gespür für Essentials der anderen Seite entwickeln, damit Konflikte möglichst im Vorfeld entschärft werden können. Schließlich haben beide Partnerschaftsvereine bereits manches erfolgreiche Projekt auf die Beine gestellt, das zur gemeinsamen Weiterentwicklung einlädt. So könnten die bilateralen Partnerschaften von Integrierter Gesamtschule Paffrath (IGP) und Otto Hahn Gymnasium mit Schulen in Beit Jala und Ganey Tikva in einem gemeinsamen Workshop mit Schülern beider Partnerstädte in Bergisch Gladbach gipfeln. Ein weiterer Punkt wäre das Angebot beider Vereine, im Rahmen der alljährlichen Bürgerreisen jeweils auch die andere Partnerstadt zu besuchen. Wohlwollend wurde das Vorhaben gesehen, mit einer Lesung der israelischen Autorin Lizzie Doron eine Brücke zwischen den Kulturtagen beider Vereine im Herbst zu schlagen.

Bergisch Gladbach kann es schaffen
Jetzt müssen den Absichten nur noch Taten folgen. „Wenn wir es hier in Deutschland – in Frieden, Demokratie und Toleranz – nicht schaffen, miteinander ins Gespräch zu kommen, wo soll es dann möglich sein?“, fragten Fürst und Shammout in die Runde. Gegenfrage: Warum sollten wir in Bergisch Gladbach nicht hinbekommen, was in Hannover möglich ist?